Wer von uns hat nicht schon am frühen Morgen vor einem unberührten Schneefeld gestanden und sofort den Drang verspürt, hier seine Spuren zu hinterlassen.
Zugegeben, die Spuren im Schnee sind beim nächsten Neuschnee nicht mehr zu sehen. Wer jedoch bleibende Eindrücke hinterlassen möchte, etwas gestalten möchte, woran sich die Leut' noch Jahre später gerne erinnern, der muss eine mitreißende Idee mit Beharrlichkeit entwickeln, sie mit Begeisterung umsetzen und mit Leben füllen und Geduld haben, wenn nicht gleich alles so umgesetzt werden kann, wie man sich das vorstellt.
So oder so ähnlich war es mit dem Theater in Tussenhausen. Aus einer Idee wurde ein Ereignis. Aus dem Ereignis wurden regelmäßige Anlässe und aus den vielen Anlässen wurde eine Tradition. Und aus dieser Tradition wurde ein Theaterverein.
Lange bevor der Theaterverein im Jahre 1928 gegründet wurde, gab es in Tussenhausen eine Theatertradition. Der erste Beleg dazu stammt aus dem Jahre 1856. Damals bat das Pfarramt Tussenhausen beim Königlichen Landgericht Türkheim um eine Genehmigung für die Aufführung des Theaterstücks 'Der heilige Willibold'.
In jener Zeit wurden hauptsächlich Maskenumzüge größeren Stils unter Beihilfe der gesamten Einwohnerschaft aufgeführt.
Im Februar 1928 wurde dem staunenden Publikum das Volksstück 'Der Sandwirt Andreas Hofer' mit historischem Festzug unter der Leitung von Anton Kehle vorgeführt.
Das Theaterspektakel, an dem insgesamt 350 Akteure mitwirkten, war für damalige Verhältnisse mit einem unerhörten Aufwand an zumeist in Eigenregie gefertigten Kostümen, mit Reitern sowie umfangreichen Bühnenbauten aufgeführt worden.
Am 4. März 1928 wurde auf Anregung des Altbürgermeisters Georg Roll die Theater- und Festspiel-Vereinigung Tussenhausen gegründet.
Roll berichtete in der Gründungsversammlung von der Aufführung des Stückes 'Der heilige Sebastian' im Jahre 1861 , das mit großem Erfolg unter anderem auch im Mindelheimer Stadttheater (Sulzstadel) auf die Bühne gekommen war.
Aufgrund dieses auch finanziellen Erfolges stiftete der Theaterverein Tussenhausen der Pfarrkirche eine von einem Künstler namens Eggenberger geschaffene Statue des Hl. Sebastian, welche noch heute in der Kirche zu Tussenhausen zu finden ist.
Ganz bei 'Null' mussten die Gründer des neuen Theatervereins nicht beginnen. Das gesamte Inventar aus den bis dahin stattgefundenen Theateraufführungen wurde Ihnen unentgeltlich von den alten Theaterrecken überlassen. Im Gegenzug versprach der neue Verein, in die Fußstapfen der Väter zu treten und die alte Tradition des Theaterspielens in Tussenhausen weiterzuführen. Sogar noch während der Kriegsjahre wurden Theaterstücke aufgeführt.
An die Erfolge der alten Aufführungen knüpfte Anton Roll nach dem zweiten Weltkrieg wieder an.
Mit 20 jungen Leuten, die fast alle zum ersten Mal auf der Bühne standen, wurde im Gasthaus Krone 1947 das Stück 'Der Trompeter von Säckingen' mit großem Eifer geprobt. Die Aufführung war ein derartiger Erfolg, dass sie wegen des großen Andrangs an einem Abend sogar zweimal gespielt werden musste.
Der begeisterte Zuspruch des Publikums war der Ansporn zu vielen weiteren jährlichen Aufführungen, die das Theaterspiel in Tussenhausen unter wechselnder Leitung (Ewald Heiler 63/70,
Johann Schmid 70/78, Anton Schuster 78/86) bis 1980 erlebten.
In dieser Zeit gingen die Theaterleute auch zuweilen gemeinsam auf Wander-schaft und gaben Gastspiele
in den umliegenden Nachbarortschaften. Es sei an dieser Stelle an das Stück 'Die schöne Müllerin' von 62/63 und 'Heimweh am Wolgastrand' von 1973 erinnert.
Der mangelnden Nachwuchs war sicherlich auch ein Grund, warum das Theaterspiel nach vielen erfolgreichen Jahren in Tussenhausen einschlief.
Im Jahre 1984 wurde auf Anregung des damaligen Bürgermeisters Anton Fleck das Theaterspielen wieder belebt. Erneut fanden sich spielbegeisterte junge Menschen und alte Theaterhasen unter der erfahrenen Leitung von Johann Schmid zusammen. In diesem Jahr wurde auch erstmals nicht mehr im Gasthaus Krone, sondern auf der Bühne der neu erbauten Mehrzweckhalle das Stück 'D'r Großvat'r und sein Nepomuk' mit großem Erfolg aufgeführt.
Eine Reihe gelungener und sehr unterhaltsamer Theaterstücke konnten unter der Leitung erfahrener Spielleiter (Sophie Bernt, Alois Sonntag, Narziss Heiler) durchaus an den vorangegangenen Erfolgen anschließen.
Ermutigt durch den großen Zuspruch beschloss man den Versuch zu wagen, das historische Stück 'Der Glockenguß zu Breslau', das bereits in den Jahren 21/22 und 58/59 mit Erfolg aufgeführt wurden, nochmals auf die Bühne zu bringen. Leider kam es beim Publikum nicht wie gewünscht an. Erlebten die Zuschauer in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg zumeist ernstes bis dramatisches Theater, so wollte man nun eher 'aufmunternde Unterhaltung'.
Diesem Ruf folgte der Theaterverein Tussenhausen gerne. In den folgenden Jahren wurden wieder heitere Volksstücke, hauptsächlich in schwäbischer Mundart, gespielt - vom Publikum begeistert gefeiert.
Mittlerweile kann die Theatergruppe mit berechtigtem Stolz behaupten, sich als Amateurtheater beim Publikum einen ausgezeichneten Ruf geschaffen zu haben. Dies erfüllt uns alle mit Freude und ist für uns Motivation und Ansporn, Jahr für Jahr unsere Stammgäste mit unseren Stücken gut zu unterhalten und neue Zuschauer und Freunde des Theaters in Tussenhausen zu gewinnen.
Und wenn Corona es endlich wieder zulässt, werden wir diesen Worten auch wieder Taten folgen lassen. Versprochen!
(Quelle: Einige Textpassagen sind dem Buch 'Die Ortsgeschichte des Marktes Tussenhausen' von Gabriele von Trauchburg entnommen. Hierfür vielen Dank)
Theaterstücke, die von der Theatergesellschaft aufgeführt wurden
1856 Der heilige Willibold
1857 Itha Gräfin von Toggenburg (Einakter)
Der Eierdieb
1861 Der standhafte Held und Martyrer St. Sebastian
1881 Nichts als Hindernisse
Die Beatushöhle + Kleider machen Leute (Einakter)
1884 Das Barfüßele
1889 Der Bierpantscherprozeß
Theaterstücke, die von anderen Tussenhausener Vereinen aufgeführt wurden
1906 Der Sandwirt Andreas Hofer
Der Ehescheidungsprozeß (Einakter)
Der versiegelte Bürgermeister (Radfahr-Verein)
Der erste Preis (Einakter) (Radfahr-Verein)
Die schlauen Zecher (Einakter) (Radfahr-Verein)
1911 Weihnachtsspiel (Kath. Burschenschaft)
Um Geld und Gut oder Versöhnung am Christfest (Kath. Burschenschaft)
1920 Der Müller und sein Kind (Radler Club)
1920 Nichts als Hindernisse (Radfahr-Verein)
1921 Der Glockenguß von Breslau (Kath. Burschenschaft)
Kleider machen Leute (Einakter, Kath. Burschenschaft)
1923 Jägerblut (Radfahr-Verein)
Die Lieder der Musikanten (Kath. Burschenschaft)
1924 Im weißen Rössl (Radfahr-Verein)
Der Musterhof (Radfahr-Verein)
1926 Der Trompeter von Säckingen (Musikverein)
1928 Im weißen Rössl am Wolfgangsee (nicht bekannt)
1930 s'Lorle vom Schwarzwald (Kath. Burschenschaft)
1932 Der Freischütz (Kath. Burschenschaft)
Beim Heiratsvermittler (Einakter, Kath. Burschenschaft)
1933 D'Heimatsonne, Heimaterde (Burschenverein)
1934 Der Müller und sein Kind (Radfahr-Verein)
1936 Der Schuß im Erlengrund (Volkstumsgruppe)
1937 Der Postillon von Rodendorf (Volkstumsgruppe)
Theaterstücke, die seit Gründung der Theater- und Festspielvereinigung 1929 aufgeführt wurden
(Aufgeführt im Gasthaus Rössle und Gasthof Krone, ab 1954 wurde ausschließlich im Gasthof Krone gespielt)
1929 Der Sandwirt Andreas Hofer
1947 Der Trompeter von Säckingen
1948 Die Lieder der Musikanten
1949 Die Bettelprinzessin
1949/50 Über Land und Meer
1952 Am Brunnen vor dem Tore (Initiator nicht bekannt)
1953 Die Bierpantscherei
1954 Nichts als Hindernisse
1956/57 Die Mühle im Birkengrund
Stefele und Vronele beim Fotograf (Einakter)
Auf dem Steueramt (Einakter)
1958/59 Der Glockenguß von Breslau
Schützenfest (Einakter)
1959/60 Die Sühne vom Wildbach
U'fm Rathaus z'Bierebach (Einakter)
1961 Thomas auf der Himmelsleiter
1961/62 Die schöne Postmeisterin
1962/63 Die schöne Müllerin
1963/64 Liebe über Schuld und Leid
Musterung in Niedertupfenhausen (Einakter)
1964/65 Das Lied der Heimat
1966/67 Wetterleuchten am Sonnleitnerhof
1967/68 Der Schuss im Erlengrund
1968/69 Die drei Unglücklichen
1970 Die verschenkte Hose
1970/71 Das Heidegrab
1971 Nimm Dein Kreuz auf Dich
Stöpsl in der Dienerschule (Einakter)
1973 Die zwei Halbschönen
Heimweh am Wolgastrand
1975 s'Lieserl von der Birkenmühl
1976/77 Besuch in der Laurenzinacht
1978 Urlaub am Kalblhof
1979 Die heiße Liebeserklärung
1980 Der Glückstag
1984 Der Großvat'r und sei Nepomuk